Karfreitag 2023

Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ LK 23, 34 

Im Angesicht des Todes, nach Folter, Qual und Erniedrigung betet Jesus für seine Peiniger und bittet Gott um Vergebung für sie.

Könnte ich mir vorstellen an dieser Stelle wie Jesus zu beten? Ist es nicht menschlicher, Hass und Rache im Sinn zu haben?

Jesus bleibt sich dabei selber treu, denn bei Mt. 5, 38-39, 44 können wir lesen: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin! […] Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ Auch das erscheint mir kaum umsetzbar. Ich möchte hier ein Gebet aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück einfügen

GEBET AUS DEM KZ RAVENSBRÜCK

Das Gute zählt

Friede den Menschen, die bösen Willens sind, und ein Ende aller Rache und allen Redens über Strafe und Züchtigung. Die Grausamkeiten spotten allem je Dagewesenen, sie überschreiten die Grenzen menschlichen Begreifens, und zahlreich sind die Märtyrer.

Daher, o Gott, wäge nicht ihre Leiden auf den Schalen deiner Gerechtigkeit‚ fordre nicht grausame Abrechnung, sondern schlage sie anders zu Buche:

Lass sie zugutekommen allen Henkern, Verrätern und Spionen und allen schlechten Menschen, und vergib ihnen um des Mutes und der Seelenkraft der andern willen.

All das Gute sollte zählen, nicht das Böse. Und in der Erinnerung unserer Feinde sollten wir nicht als Opfer weiterleben, nicht als ihr Alptraum und grässliche Gespenster, vielmehr ihnen zu Hilfe kommen, damit sie abstehen von ihrem Wahn:

Nur dies allein wird ihnen abgefordert, und dass wir, wenn alles vorbei sein wird, leben dürfen als Menschen unter Menschen, und dass wieder Friede sein möge auf dieser armen Erde den Menschen, die guten Willens sind, und dass dieser Friede auch zu den anderen komme.

Gebet aus dem KZ Ravensbrück aus: „Magnificat. Die heilige Woche 2018“ (Butzon & Becker, Kevelaer)

Dieses Gebet von den inhaftierten Frauen aus Ravensbrück ist tief beeindruckend. Denn sie setzen das um, was Jesus uns vorgelebt hat. Wie viel Kraft die Frauen aus dem Glauben geschöpft haben ist erstaunlich und macht auch mir Mut. Auch hier stellt sich mir die Frage, ob ich das so beten könnte.

Ich kann diese Fragen nicht beantworten, denn ich bin glücklicherweise nicht in solcher Situation. Mir geht es gut, aber es lässt mich nachdenken über die kleinen Begebenheiten des Alltages. Ich denke, dass ich da an der einen oder anderen Stelle mehr, wie Jesus sein könnte.

Jesus kommt durch sein Leiden und Sterben uns Menschen sehr nah. Auch er ist verzweifelt, wenn er Gott bittet diesen Kelch womöglich vorbeigehen zu lassen. Am Ende aber legt er sich vertrauensvoll in die Hände seines Vaters. Das macht mir Hoffnung in schweren Stunden und tröstet mich. Unser Vater im Himmel (beg)leitet uns auf allen Wegen und am Ende des Weges liegen wir in seinen Händen.

Daniel Buchholz

Geistlicher Leiter